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Unausgesprochen

Wenn Unausgesprochenes zwischen uns steht, wie Mauern aus Lücken,
dann sprech ich mich dafür aus, dass wir näher zusammenrücken.
Weil dort, wo ungesagte Worte einst den Raum verbauten,
als wir uns all das Unsägliche noch nicht zu sagen trauten,
dann neuer Raum entsteht für Nähe,
die schöner ist, als wenn ich dich nur aus der Ferne sehe.

Oft wünschte ich du könntest lesen was zwischen den Zeilen steht,
was wirklich in meinem Kopf vorgeht,
wenn du mich fragst, was ich gerade denke,
und ich dir als Antwort ein Lächeln schenke,
und hoffe, dass die drei Worte, die mir dann entweichen,
irgendwie genug sind, hoffe, dass sie reichen,
um dir klar zu machen, wie gut alles ist,
wie besonders und wie wunderschön du bist.

Dass ich dich manchmal schon vermisse, wenn du noch neben mir liegst,
wie sehr es mich erregt zu spüren, dass du Lust auf mich kriegst,
und dir dann wünsche, dass du dich traust, den Händen freien Lauf zu lassen,
und mich an allen Körperstellen und auf alle Arten anzufassen,
ohne dabei nach Gut und Schlecht, nach Richtig und nach Falsch zu fragen,
und mir unbefangen und schamlos ganz frei zu sagen,
welche Bedürfnisse und Wünsche deine Lust in dir zum Vorschein bringt,
und tja – naja – ich wünsche auch, dass dies mir ebenfalls gelingt.

Dabei bin ich doch selbst noch viel zu oft ganz still,
wenn ich dir eigentlich so Vieles gerne sagen will,
und dann nicht weiß, ob das verletzend oder unangenehm sei,
und schon wieder ertappe ich mich dabei –
ich rede um den heißen Brei –
herum. Während ich wünschte du wüsstest,
dass du oft vielleicht mehr nachdenkst als du müsstest.
Also lass mich dir Antworten geben, noch vor deiner Frage,
so weißt du immerhin schon, was ich darauf sage.

Ich will sagen: vergiss alles, was du glaubtest über Sex zu wissen,
was du gehört, oder gesehen oder mal irgendwo gelesen hast.
Es gibt nicht die eine, die richtige Art zu Küssen,
gibt keine Penisgröße, die am besten in eine Vagina passt,
es gibt keine Garantie dafür was, wie, wo, stimuliert,
gibt keine Messlatte, für die Härte einer Latte,
gibt keine Reihenfolge, in der dies und das passiert,
kommt nicht drauf an, wer wohl den besseren Orgasmus hatte.
Es gibt kein zu früh, zu schnell oder nicht gut genug,
weder zu hart, zu weich noch zu extrem,
doch es gibt Scham und Schuldgefühl und manchmal Selbstbetrug,
und das ist dann das einzig wirkliche Problem.

Also lass uns die Mauern des Schweigens sprengen, die manchmal noch zwischen uns stehen,
lass uns über die Grenzen komfortabler Komfortzonen gehen,
einander so ausgiebig betrachten, bis wir uns mit geschlossenen Augen sehen,
lass uns so lange über alles reden, bis wir uns ohne Worte verstehen,
und dabei nichts zurück halten, als die Zurückhaltung an sich.
Das – und so viel mehr – steckt in den Worten, wenn ich sag: ich…

Elisa Sievers